Kreuzung

Warteraum und Ort der Bewegung

In Anbetracht der Tatsache, daß früher die Kreuzung zweier Straßen zur Bildung einer Stadt führte, mittlerweile fast die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt und sich als Lebens-Ort-Modell durchzusetzen scheint, hat sich die Kreuzung eine Hymne verdient.

Obwohl Architektur als statisches Gefüge anzusehen ist, sind Aspekte der Bewegung gerade zu ihrer Wahrnehmung von erheblicher Relevanz. Schließlich sind Wahrnehmung und korrekte Wiedergabe dreidimensionaler Objekte ohne Bewegung nicht möglich. Das hieße, Architektur ist ohne Bewegung nicht sichtbar. Daraus ergibt sich als Ort für eine beispielhafte Intervention in architektonische Ensembles derjenige, an dem ein Höchstmaß an Bewegung stattfindet.
Die KREUZUNG ist gleichermaßen Warteraum wie Ort der Bewegung und stellt sich als ein auf Funktion reduziertes Ensemble dar. Seine Schönheit offenbart sich im Versuch des Reibungslosen und Vielschichtigen, als öffentlicher Raum entbehrt er jedoch jeglicher Art von poetischem Zauber.
Zwar ist die KREUZUNG als Transitraum und reiner Verteiler eigentlich bedeutungslos, beherbergt jedoch als Verkehrsknotenpunkt verschiedene Teilnehmer mit äußerst verschiedenen Geschwindigkeiten (Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer, öffentlicher und ruhender Verkehr). Diese Ströme müssen miteinander verschränkt werden, es ergeben sich zwangsläufig Kreuzungen und wechselseitige Behinderungen. Damit ist Kollision von verschiedenen und nicht kompatiblen Bewegungsformen vorprogrammiert. In ihren Zielsetzungen unterscheiden sie sich kaum, jedoch stark in ihren Strategien. Lichtsignalanlagen versuchen hier geschickt zu vermitteln und Ordnung in Richtungsentscheidungen zu bringen. Als verbindendes Element taugen sie indes wenig. Sie stellen wechselnde Hierarchien her. Indem sie immer einer Gruppe das Gefühl von Dominanz geben, produzieren sie dadurch abwechselnd Zustimmung und Ablehnung. So wird die Ampel stumm zur Projektionsfläche von Befindlichkeiten, und kann die sich immer wieder erneuernden Konflikte nur ungenügend bewältigen.
Das Energiepotential, welches nun als Bewegung, als Produkt aus Richtung, Kraft und Geschwindigkeit, deutlich wird, läßt sich erfassen, auswerten und darstellen. Jedes bewegte Objekt wird als Energiemodell repräsentiert. Der jeweils erhobene Datensatz ergibt Form und Maß. An einer Kreuzung mit verhältnismäßig ausgewogenem Verkehr, wie zum Beispiel hier an der Koch-/ Ecke Friedrichstraße in Berlin, ergibt sich ein recht symmetrisches Gebilde. Entgegengesetzte Bewegungen stellen hier Gleichgewicht her. Die Position des "Mobile" wird ermittelt aus der Addition der Bewegungen und zeigt durch die Verschiebung zum exakten Mittelpunkt die durchschnittliche Bewegungsrichtung an.
Obwohl eine Kreuzung an sich schon die Schnittmenge zweier Straßen darstellt, fehlt ihr jedoch der konkrete Verweis auf den Schnittpunkt. Das Objekt wird nun zum Sammelpunkt der Bewegungsenergie und markiert den energetischer Fluchtpunkt.
Andere Orte ergeben andere, möglicherweise amorphe Gebilde mit drastisch abweichender Position.
Das Ergebnis ist ein statistisches Objekt in Form einer dreidimensionalen Vektorgleichung. Eine Miniatur ortsbezogener Energieumsetzung.

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